Vollbart, Couch, Zigarren, ein paar antike Statuetten und fertig ist die Freud Karikatur. Auch Terry Johnson kommt um diese Zutaten nicht herum, aber er hat die Lacher nicht deswegen auf seiner Seite, sondern weil er auf irrwitzig geniale Weise Fakten und Fiktion zu einer burlesk-traumhaften Farce mit ernsten Zügen kombiniert, die zugleich über hochkomische und hochdramatische Momente verfügt – eine ungewöhnliche Mischung allerdings.
Im Zentrum des Stücks steht ein Geheimnis aus Freuds Leben, das mit dem Begriff „Verführungstheorie“ umschrieben werden kann und in der psychoanalytischen Fachliteratur bereits mehrfach für heftigen Debatten gesorgt hat; da Freud eine ursprüngliche Kernthese seines Hysterie-Konzepts entweder aus Opportunismus oder sehr privaten Gründen aufgegeben haben könnte.
Johnsons besonderes Interesse gilt demnach einem ganz bestimmten Brief, der erstmals 1985 im unzensuriert veröffentlichten Briefwechsel Freud/Fließ für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde; in diesem Schreiben aus der Zeit seiner Selbstanalyse beschuldigte Freud den eigenen Vater des Kindesmissbrauchs.
Regisseur Rüdiger Hentzschel beweist, wie intelligent Unterhaltung dargeboten werden kann, indem vier grandiose Darsteller (glaubwürdiger als durch Peter Faerber und Carl Achleitner können Freund und Dali nicht verkörpert werden!) zu einer ebenso einzigartigen Inszenierung vereinigt, die bei den Zusehern dank ständiger Tempo- und Stimmungswechsel für ein intensives Wechselbad der Gefühle sorgt und ihnen ein unvergessliches Theatererlebnis bereitet.
Wer sich diese Aufführung entgehen lässt, sollte schleunigst mit einer Psychoanalyse beginnen, um derartige Fehlleistungen künftig zu vermeiden.

Franco Schedl/events.at