Die Ziege oder Wer ist Sylvia?

von Edward Albee. R: Ganser D: B. Arens, A. Arens, Hentzschel, Kusztrich

In seinem 2002 uraufgeführten Stück erzählt US-Dramatiker Albee im Kostüm einer Boulevardkomödie eine Tragödie von griechischen Dimensionen: Der erfolgreiche, glücklich verheiratete Architekt Martin hat sich - ganz im Ernst - in eine Ziege verliebt. Eine ziemlich tolle Aufführung, in der die Hauptdarsteller Babett Arens und Rüdiger Hentzschel zu Höchstform auflaufen.

Falter

© Günter Jagoutz © Günter Jagoutz

Kritiken

....Was als leichte Gesellschaftskomödie beginnt, nimmt rasch immer tragischere Züge an. Albees pointierte Rededuelle stellen an die vier Darsteller hohe Anforderungen und vor allem die große Aussprache zwischen Martin und seiner Frau, der wir mit atemloser Spannung folgen, zählt dank Rüdiger Hentzschel und Babett Arens zu den Höhepunkten des Theaterabends. Abgesehen von Worten wird hier erst Recht mit Einrichtungsgegenständen scharf geschossen und es grenzt manchmal fast an ein Wunder, dass Hentzschel von keinen tieffliegenden Wohnzimmerutensilien getroffen wird; doch seine Bühnenpartnerin hat nicht nur ihre Stimme sondern auch ihre Zielfähigkeit perfekt unter Kontrolle. Komplettiert wird das kleine Ensemble durch Georg Kusztrich als fassungsloser sittenstrenger Hausfreund, und Aaron Arens gibt als homosexueller Sohn des Paares ein vielversprechendes Scala-Debüt. Und wo bleibt bei all dem die Titelfigur Sylvia? In letzter Minute hat sogar sie einen denkwürdigen Auftritt, wobei ihr Zustand etwas zu wünschen übrig lässt. Von Marcus Gansers Inszenierung kann man das ganz bestimmt nicht sagen.

events.at, Franco Schedl

....Regisseur Marcus Ganser ließ sich von Walter Vogelweider ein nicht nur nobles, sondern auch hervorragend bespielbares Appartment bauen. Darin herrscht eindeutig die Frau des Hauses: Es ist ein Gewinn für die „Scala“, dass man die nach Emmy Werners Volkstheater-Zeiten (wo sie ein Star am Haus war) in Wien „heimatlose“ Babett Arens eingefangen hat und hier einsetzen konnte. Denn Albee fordert der Ehefrau ein Furioso ab, das nicht nur mit Intuition zu erspielen ist, sondern auch größte handwerkliche Fähigkeiten verlangt. Brillant. Bemerkenswerte Fähigkeiten zeigt auch der Neffe der Genannten, Aaron Arens, der als ihr Sohn auf der Bühne steht. Allein seine Sprache und Sprechtechnik heben ihn weit über das meiste hinaus, was heute an jungen Schauspielern auf die Bühne gespült wird. Der unsichere Billy, der sich einerseits zwischen geliebten Eltern aufgerieben sieht, andererseits seine eigenen, schwulen Probleme hat, ist von bemerkenswerter Bühnenpräsenz. Am Rande, aber wichtig als Funktion und auch Person, ist der Freund, der Martins Geheimnis verrät: perfekt Georg Kusztrich. Inmitten des Sturms der anderen steht der Mann, der seine Gefühle nicht mehr verbergen kann, wie das so ist, wenn einem schwer und bange, aber auch selig ums Herz ist: Rüdiger Hentzschel spielt die ganze Gefühlsskala durch, von Behaupten bis Zurückweichen, von Entschuldigungsritualen bis zu „Hier steh ich, ich kann nicht anders“ – hervorragend! Wenn er sich am Ende über den Kadaver der von seiner Frau getöteten Ziege wirft, die als „Opfer“ gefallen ist, hat Albee an griechische Tragödie gedacht. Die Aufführung, von Marcus Ganser mit aller Instinktsicherheit geleitet, erinnert ohne Peinlichkeit und Kleinlichkeit an nicht weniger als das. Da machen sich weder ein Stück noch eine Aufführung klein.

Der neue Merkur, Renate Wagner

....Regisseur Marcus Ganser erzählt die Geschichte erst heiter, um das Loch, in das seine Protagonisten schließlich fallen, umso tiefer zu machen. ...Eine Leistung so meisterhaft wie die Darsteller...
Fazit: Wie ein Schlag in die Magengrube-aufwühlende Schicksale, großartiges Theater.

NÖN, Thomas Jordan

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