Jordi Galcerán, Die Grönholm-Methode


Die böse Satire, die nur einen Schritt von der wirklichen "schönen neuen Arbeitswelt" entfernt ist, schwankt zwischen Krimi, Komödie und Kafka.


Vier Personen in einem Raum erhalten mysteriöse Anweisungen von außerhalb und müssen sich in scheinbar sinnlosen Spielen gegeneinander behaupten, damit nach dem Ausschlussverfahren zuletzt ein Gewinner als Anwärter auf einen Traumjob übrigbleibt. In Anbetracht dieser Ausgangssituation dürfte der Eindruck entstehen, hier werde über die hundertunderste Folge eines Endlosschockers der Marke "Saw" gesprochen, und vielleicht, könnte man meinen, hat der spanische Dramatiker Jordi Galcerán die Grundidee für sein Stück tatsächlich aus solch blutiger Quelle geschöpft - da "Saw 1" aber erst 2004 in die Kinos gekommen, "Die Grönholm-Methode" jedoch ein Jahr zuvor entstanden ist, werden diese Parallelen ausschließlich der Materie geschuldet sein, denn Psychopathen sind nicht nur als Einzeltäter am Werk, sondern agieren ganz ungestraft von höheren Orts sanktioniert, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Regie: 

Rüdiger Hentzschel

Besetzung:

Carl Achleitner, Manfred Fau, Michaela Kaspar und Peter Streimelweger

Galceráns intensives Kammer- oder besser Konferenzzimmerspiel wirft nämlich die Frage auf, ob eine Welt der Megakonzerne, Topmanager, Hochfinanzen und Spitzenverdiener zwangsläufig auch von Superschweinen am Leben erhalten wird? Nach zwei in der Wiener Scala verbrachten Theaterstunden muss die Antwort darauf ziemlich positiv ausfallen: zu kaltschnäuzig, egozentrisch, menschenverachtend, gefühlskalt und brutal erscheinen alle Beteiligten. Damit qualifizieren sie sich zweifellos als Spitzenreiter für den ausgeschriebenen Posten, aber die Dinge liegen hier noch wesentlich komplizierte, als es zuerst den Anschein hat. Unter Rüdiger Hentzschels gefinkelter Regie lassen uns die vier Figuren fast bis zuletzt im Unklaren darüber, auf welcher Seite sie eigentlich stehen und wie man sie einschätzen soll.
Dass die Darsteller Manfred Fau, Peter Streimelweger, Michaela Kaspar und Carl Achleitner vor lauter Täuschungsmanövern und Finten zuletzt selber noch wissen, worauf sie hinauswollen, zählt zu den durchaus positiven Aspekten des Abends; und noch eine weitere beruhigende Erkenntnis kristallisiert sich allmählich heraus: Nur die miesesten Charaktere werden hier zwar gewinnen, aber für beste Unterhaltung ist trotzdem gesorgt.

events.at / Franco Schedl

"Die Grönholm-Methode"

Stadttheater / Rüdiger Hentzschel inszeniert die groteske Geschichte um einen gnadenlosen Selektionskampf. 


"Wir suchen nicht einen guten Menschen, der nach außen ein Arschloch ist. Was wir suchen, ist  ein Arschloch, dass nach außen ein guter Mensch ist!" Diese Pointe bringt die Quintessenz der Handlung von "Die Grönholm-Methode" auf den Punkt: Abgeschottet von der Außenwelt treffen vier ausgewählte Bewerber - drei Männer und eine Frau - in der Endrunde eines Auswahlsverfahrens für die Managerposition aufeinander. Jeder Kandidat kommt für den attraktiven Chefposten in Frage. Und jeder von ihnen wird mit unterschiedlichen und ungewöhnlichen Aufgaben konfrontiert, die nur für ihn bestimmt sind. Dennoch müssen sie innerhalb der Gruppe gelöst werden! Ein atemberaubender Psychokrieg beginnt, als klar wird, dass einer der Mitbewerber ein Vertreter der Personalabteilung des Unternehmens ist...

Mit Spannung und Tempo an die Grenzen der Ethik

Rüdiger Hentzschel inszeniert den gnadenlos entbrennenden Konkurrenzkampf mit Tempo und Verve: Manfred Fau, Peter Streimelweger, Michaela Kaspar und Carl Achleitner schenken sich nichts und präsentieren eine spannungsreiche Performance. Grotek, überzogen, aber der realen Selektionspraxis auf Managementebene beängstigend nahe skizziert das Stück des spanischen Autors Jordi Galcerán eine sich an oder jenseits der Grenzen der Ethik bewegende Methodik, deren Nutzer bar jeder selbstkritischen Reflexion vor keiner menschlichen Niederung zurückschrecken.

NÖN / Gaby Schätzle

Grönholm-Methode

"It's the economy, stupid", sagte einmal Bill Clinton. Wer's nicht glaubt, geht ins Stadttheater Mödling und schaut sich das Theaterstück des Spaniers Jordi Galercán an. Drei Männer und eine Frau wollen einen hoch dotierten Managerjob. Doch statt eines Hearings müssen sie sich einem aufreibenden Wettkampf stellen. Und es gibt starke Indizien, dass einer oder eine der Vier ein Mitglied der Personalabteilung ist ...
Vier fast auf den Punkt genau besetzte Darsteller lassen in der Regie von Rüdiger Hentzschel auf je eigene Art die kapitalistische Sau raus; jedem traut man das Schlechteste zu. Aber wer ist wirklich das größte Schwein in diesem mitreißenden, exzellent aufbereitetem Spiel?

NÖN / -TJ-

Das ist Brutalität: Manager unter sich

Vier Anwärter auf einen gehobenen Managerposten werden gemeinsam in einen Konferenzraum gelockt, um - so scheint es jedenfalls - sich selbst und ihre Mitbewerber bei verschiedenen Aufgaben bloßzustellen. Der Katalane Jordi Galcerán widmet sich in seinem Stück "Die Grönholm-Methode" dem Thema "Humankapital" - zur Entstehungsgeschichte, 2003, machte die Veröffentlichung von menschenverachtenden Notizen eines Personalberaters in Spanien gerade Furore. Thema und Umsetzung sind auf der Bühne vor allem deshalb spannend, weil sich ganz unterschiedliche Sichtweisen auf die Charaktere eröffnen; denn obwohl klar scheint, wer oder wo die Bösen zu orten sind und welche Eigenschaften von den Kandidaten erwartet werden, ändert sich alles mit deren Funktion. In der Scala spielen sich unter der Regie von Rüdiger Hentzschel drei Männer und eine Frau entschlossen um Kopf und Kragen. Kein Glück oder Unglück ist zu privat, als dass es in Verbindung mit der Reaktion der anderen nicht für den zukünftigen Arbeitgeber aufschlussreich sein könnte. Moral oder Mitgefühl haben ausgedient.

Falter / Hagen, Bettina

 

Horror in der Chefetage - Bewerbungsgespräch als Psycho-Krimi - Im Stadttheater Mödling

Drei Männer, eine Freu, ein Top-Job. Eine skurrile Bewerbungssituation setzt der spanische Autor Jordi Galcerán (44) in "Die Grönholm-Methode" in Szene
Mödling - Inspiriert wurde er zu seinem Stück durch einen Zeitungsartiekl über menschenverachtende Notizen, die Personalberater eines Supermarktes im Rahmen eines Assessment Centers über die Bewerber gemacht hatten. Assessment Center wurden ursprünglich in der Offiziersauswahl angewendet und arbeiten unter anderem damit, die Bewerber großem psychischen Stress auszusetzen. Ein höchst zeitgemäßes Stück also. Rüdiger Hentzschel inszenierte den spanischen Kassenschlage spannend und bös-satirisch. Manfred Fau, Peter Streimelweger, Carl Achleitner und Michaela Kaspar agieren auf der Bühne vielschichtig - bis zum Ende mit Knalleffekt. Peter Streimelweger ist die Idealbesetzung für die ihm abgeforderte Gratwanderung zwischen Aschloch, Durchschnittsmensch und Opfer. Unbedingt noch anschauen!

Badener Rundschau / Stockmann, Renate

 

 

Jordi Galcerán, Die Grönholm-Methode

Die böse Satire, die nur einen Schritt von der wirklichen "schönen neuen Arbeitswelt" entfernt ist, schwankt zwischen Krimi, Komödie und Kafka.

Gerade erst hat das Volkstheater in den Bezirken „Reden mit Mama“, ein Stück des katalanischen Autors Jordi Galceran gezeigt, und schon begegnet man ihm wieder, diesmal in der Scala. Und mit einem weit wirkungsvolleren, direkt aus der heutigen Arbeitswelt gegriffenen Stück, das folglich derzeit landauf, landab gespielt wird: „Die Grönholm-Methode“. Und das ist begreiflich, denn man kann Auseinandersetzungen mit der Hier-und-Heute-Welt nicht irgendwelchen verblödeten Fernsehfilmen überlassen. Was das Theater zum Thema zu leisten vermag – die „Top Dogs“ von Urs Widmer (2004) haben es beispielsweise gezeigt.

Wenn sich hier vier Kandidaten in einem Raum einfinden, die offenbar alle geladen sind, weil sie sich in der Endrunde für einen äußerst lukrativen Job befinden, dann greift der Autor das Thema der „Personalauswahl“, wie es für Spitzenpositionen immer üblicher geworden ist, auf zwei Ebenen an. Einerseits zeigt er, welchem Psychoterror man Menschen aussetzt, um sie auf ihre Persönlichkeitsstruktur und Belastbarkeit zu prüfen – kurz, die „Killer“ zu finden, die man heutzutage braucht. Andererseits aber deckt Galceran auch höchst kritisch auf, was Menschen mit sich machen lassen, wenn man nur mit dem dicken Scheck winkt.

Das simple Ergebnis für die Bühnenrealität kann dann in einer gelungenen Mischung von legitimer Spannung, Humor, pirandellesken Fragestellungen, dem überraschenden Kippen von einer Ebene in die andere und manchmal blankem Erstaunen des Zuschauers bestehen.

All das gelingt in der Scala in der genauen, konzentrierten Regie von Rüdiger Hentzschel sehr gut, wobei Hausherr Bruno Max sich darauf beschränkt hat, das exzellente Bühnenbild zu entwerfen: Einerseits ahnt man durchaus das Ambiente einer Weltfirma, andererseits ist der Charakter des Eingeschlossenseins mühelos gewahrt. Vier Darsteller liefern den Kampf der Kandidaten gegen einander, und sie tun es virtuos, wobei Peter Streimelweger den anderen sogar ein wenig davonläuft. Dieser Schauspieler, der in Erscheinung und Sprache etwas ist, was es nicht mehr zu geben scheint, nämlich ein echter Hofmannsthal-Typ, blättert hier ein überreiches Repertoire an Tönen und Stimmungen zur Schilderung von Lüge und Wahrheit, Angeberei und Duckmäusertum auf. Michaela Kaspar als einzige Frau des Spiels kann mithalten, da ist Souveränität, Kraft, Entschlossenheit, Emotion und Coolness – und am Ende ist vielleicht alles nicht wahr? Manfred Fau und Carl Achleitner fügen sich perfekt ins Spiel. Das ja nun doch ein bisschen mehr ist – nämlich Nachdenkfutter darüber, wie man sich selbst in unserer schönen, neuen Arbeitswelt verhält…

Merker/ Wagner, Renate